VÖEH (Estrichverband)
Navigation
Fachinfo > Wichtige Aspekte der Fugenplanung

Wichtige Aspekte der Fugenplanung

Walter Riegler ist in seiner Funktion als gerichtlich beeideter Sachverständiger Vorstandsmitglied beim VÖEH und schreibt über Beispiele aus der Praxis.

Die Fugenplanung im Fußbodenbereich ist vor allem bei größeren, zusammenhängenden Flächen ein wichtiger Aspekt, der für die technische Funktionalität und das optische Erscheinungsbild des Fußbodens entscheidend ist. Die Koordinationsbesprechung ist daher nicht nur – wie in der Ö-Norm B 2232 vorgesehen – bei Fußbodenheizungen, sondern auch bei Estrichen ohne Beheizung ein wichtiges Steuerungselement für eine funktionierende Fugenplanung.

Verantwortlich für die Fugenplanung ist grundsätzlich der Planer. Aus meiner langjährigen Praxis geht jedoch hervor, dass die planende Stelle meist einen Fugenplan von der ausführenden Seite verlangt. Dieser wird dann meist nach optischen Gesichtspunkten beurteilt und gegebenenfalls korrigiert. Hier wird dann der Fugenanteil zum überwiegenden Teil reduziert. Vom Ausführenden werden häufig diese Korrekturen aus den verschiedensten Gründen auch noch ohne jegliche Bedenkenanmeldung akzeptiert. Die notwendige Fugenplanung in technischer Hinsicht betreibt der Planer nur in den seltensten Fällen.

Viele wichtige Aspekte
Dabei ist bei der Fugenplanung auf viele Faktoren zu achten, die der Estrichhersteller nicht unbedingt wissen muss.

Als Beispiel sei hier die Querkraftübertragung bei hochbelasteten Bereichen genannt.

- Wie viele Querkraftdübel muss ich am m1 setzen?
- Welche Dimension müssen diese Querkraftdübel aufweisen?
- In welcher Lage soll sich der Querkraftdübel im Estrichquerschnitt befinden?

Weiters sind Felderteilungen und Bewegungsmöglichkeiten im Fugenbereich, auch bei nicht beheizten Konstruktionen, ein wesentlicher Punkt in der Planung.

Verantwortung liegt beim Planer
Der Estrichhersteller kann und soll seine Erfahrungen sowie die ihm bekannten Regeln der Technik in die Fugenplanung bei der Koordinationsbesprechung mit einbringen. Dabei sollte er sich aber immer bewusst sein, dass die Verantwortung beim Planer liegen muss. Punkte, die der Estrichhersteller nicht mit Sicherheit einbringen oder beantworten kann, sind vom Planer unter Beiziehung von Fachleuten zu lösen.

Die Verantwortungsübertragung über die Planung von Fugen, Zeitabläufen und anderen entscheidenden Faktoren durch den Auftraggeber und den Planer an die beteiligten Professionisten, werden immer wieder von diesen angenommen und durchgeführt. Die möglichen Folgen für diese Bereitschaft soll das nachfolgende Beispiel aufzeigen.

Beispiel aus der Praxis
Ein Lebensmittelmarkt plant eine Filiale mit folgendem Fußbodenaufbau

- 50 mm Splittbeschüttung gebunden
- Dampfbremse
- 15 mm Tritt- und Körperschalldämmung (hochbelastbar)
- 100 mm Estrich (Beton)
- 15 mm keramischer Oberbelag.

Der keramische Oberbelag besteht aus Fliesen die 45 mal 45 cm Größe aufweisen. Der Planer möchte deckungsgleiche Fugen im Estrich und im Fliesenbelag. Da dies nach Angaben der Professionisten im ersten Schritt nicht möglich ist, erfolgte die Fugenplanung durch einen Vorschlag des Estrichherstellers, der vorwiegend ein Fugenbild im Säulenraster beinhaltet. Hierbei war vorgesehen, dass die Fugen maschinell geschnitten werden (ohne Querkraftdübel) und vor Beginn der Fliesenverlegearbeiten wieder kraftschlüssig verbunden werden.

Die kraftschlüssige Verbindung soll durch den Estrichhersteller mit handelsüblichen Wellenverbindern in einem Abstand von ca. 25 cm erfolgen. Neue Fugen sollen im Zuge der Belagsverlegung vom beauftragten Fliesenleger auf dessen Vorschlag geschnitten werden (dieses Vorhaben wurde in den geöffneten Bereichen allerdings nicht vorgefunden). Statt dem Estrich wurde seitens des beauftragten Estrichunternehmens ein Betonboden auf dessen Vorschlag eingebaut.

Der Zeitraum zwischen Estrich- (Beton)herstellung und Verlegung der 45/45 cm großen Fliesen betrug weniger als 8 Wochen. Die vom Fliesenleger geplanten Feldergrößen mit dem nachträglichen Fugenschnitt wiesen ca. 25 m2 auf, dass bei einer relativ dünnen Betonplatte, ohne entsprechender Bewehrung großzügig ist. Warn- und Hinweisschreiben in Bezug auf etwaige Risiken durch die seitens der Professionisten vorgeschlagenen technischen Durchführung und Abläufe gab es nicht.

Abgrenzung der Entscheidungskompetenzen
6 Jahre (!) nach Herstellung wurde durch den Bauherren ein nun vorhandenes Rissbild reklamiert. Es wurden zur Befundung und zur Abgabe eines Gutachtens zwei Sachverständige eingeschaltet. Einer der Sachverständigen ist spezialisiert auf Keramik-, Fliesen- und Plattenbeläge, der andere auf Estricharbeiten und Industrieböden. Das bei der Befundung vorgefundene Schadensbild zeigte relativ geradlinige Rissbildungen im Fliesenbelag. Meist verliefen die Risse parallel zum Fugenbild. Nach der Öffnung von Teilbereichen des Oberbelages wurde festgestellt, dass die überwiegende Anzahl der Risse deckungsgleich mit der darunter liegenden, kraftschlüssig verbundenen Schnittfuge liegen. Vereinzelt gab es auch Rissbildungen in der Fläche.

Die Ergebnisse dieser Befundung und Begutachtung waren unter anderem eine für diese Belastung unzureichende Querkraftverbindung sowie ein nicht stattgefundenes Ausharzen des Fugenbereichs. Ebenso eine unzureichende Planung und Koordination der Fugenthematik zwischen den Notwendigkeiten im Fugenbild des Estrichherstellers und die des Fliesenlegers. Weiters die Planung des zeitlichen Ablaufes, wo eine Betonplatte nach 8 Wochen bereits mit einem starren Belag belegt wird und sämtliche auftretende Spannungen in der Betonplatte 1:1 an den Oberbelag weitergegeben werden. Fehlende, zusätzliche Entlastungsschnitte verstärken diese Gegebenheit zusätzlich, wobei die technische Richtigkeit dieser Vorgangsweise generell zu hinterfragen ist. Technisch wurde die Ausführung von den beteiligten Professionisten ausgearbeitet, und gegen den vorgegebenen Zeitplan wurde seitens des Fliesenlegers kein Einwand auf mögliche Folgeschäden getätigt.

Bei der Feststellung des Verschuldensgrades durch zwei beauftragte Sachverständige wurden die entstandenen Kosten von über 30.000,-- Euro in folgenden Teilen den beteiligten Parteien zugesprochen:

Fliesenleger 50 %
Estrichhersteller 20 %
Planer 30 %

Die ausführenden Firmen tragen in diesem Fall 70 % des Schadens aufgrund fehlender Hinweise und aktiver Planungstätigkeit.

Ein Mitwirken an der Fugenplanung der an dem Gewerk beteiligten Professionisten, ist durch das Einbringen von technischen Möglichkeiten und Grenzen sinnvoll und notwendig. Eine durch die Professionisten gelebte Warn- und Hinweispflicht sowie eine klare Abgrenzung der Entscheidungskompetenzen soll jedoch die Verantwortung der planenden Stellen nicht zu der eigenen machen, um solche Kostenübernahmen im Schadensfall zu vermeiden.

> Zurück zur Übersicht
Seite drucken

Unsere Website verwendet ausschließlich technisch notwendige Cookies. Mit der Nutzung dieser Website erkären Sie sich damit einverstanden. Mehr Infos