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Die Risiken eines beschichteten Gussasphalts

Walter Riegler ist in seiner Funktion als gerichtlich beeideter Sachverständiger Vorstandsmitglied beim VÖEH und schreibt über Beispiele aus der Praxis.

In einer Produktionshalle wurde vor über zehn Jahren die Fußbodenkonstruktion erneuert. Zu diesem Zweck wurde ein Ziviltechniker beauftragt, der den Bestandsboden sowie den darunter liegenden gewachsenen Boden durch Probebohrungen und Schürfproben untersucht hat.

Nach den vorliegenden Ergebnissen dieser Untersuchung wurde ein Sanierungskonzept für die Halle erarbeitet und umgesetzt.

Lediglich ein kleiner angrenzender Bereich einer Lagerhalle mit ca. 300m² Grundfläche wurde aus nicht bekannten Gründen bei dieser umfangreichen Sanierung nicht berücksichtigt. In dieser bisher als Lagerhalle genutzten Fläche wurde die im bereits sanierten Bereich angesiedelte Produktion erweitert. Zu diesem Zweck wurde auf dem in der Lagerhalle vorhandenen Bestandsboden eine Beschichtung aufgebracht, um die Bodenbeschaffenheit an die Erfordernisse der hier künftig stattfindenden Produktion anzupassen.

Schadensverlauf
Nach einer nicht genau definierbaren Nutzungsdauer kamen erste Rissbildungen in der aufgebrachten Bodenbeschichtung zum Vorschein. Im Bereich der Risse gab es Aufwölbungen und Hohllagen, die sich im Laufe der Zeit verstärkten. Die Rissbreite nahm ebenfalls im Laufe der Zeit zu. Die mangelhaften Bereiche wurden vorerst in wiederkehrenden Zeitabständen saniert. Da diese mehrmalige Sanierung augenscheinlich nicht zielführend war, wurde ich zur Befundung sowie mit der Erstellung eines Gutachtens der möglichen Schadensursache beauftragt.

Rissbildungen in der BeschichtungRissbildungen in der Beschichtung


Aufwölbungen im RissbereichAufwölbungen im Rissbereich

Befundung
Bei dieser Befundaufnahme wurden an sechs Stellen Bohrkerne entnommen, um den vorhandenen Fußbodenaufbau zu verifizieren. Des Weiteren wurde der vorhandene Rissverlauf in der Beschichtung aufgenommen. Zusätzlich wurde in den Randbereichen an drei Stellen eine Öffnung bis auf die erste Unterbetonschicht vorgenommen.

Bei den entnommenen Bohrkernen wurde festgestellt, dass der Bestandsboden aus vier Schichten besteht. Es handelt sich in der obersten Schicht um einen ca.25mm dicken Gussasphalt, der auf zwei Betonschichten mit zwischenliegender Wärmedämmung aufgebracht wurde.

Der vorhandene Gussasphalt ist deckungsgleich mit der Beschichtung an allen sechs entnommenen Bohrkernen gerissen. Die hier festgestellte Rissbreite lag bis zu sage und schreibe 6mm! Des Weiteren gab es im Rissbereich großflächige Aufwölbungen der applizierten Beschichtung.
Bei den Öffnungen im Randbereich konnte festgestellt werden, dass der verlegte Gussasphalt eine durchgehende Verbindung mit dem aufgehenden Mauerwerk aufweist.

Die aufgebrachte Beschichtung wurde mit einer aufgesetzten Hohlkehle ohne Randabstand ebenfalls indirekt mit dem aufgehenden Mauerwerk verbunden.

Die Beschichtung wies zu den zuvor genannten Aufwölbungen im Rissbereich auch an vielen Stellen großflächige Hohllagen zum Gussasphalt auf.

Der darunterliegende Unterbeton wies lediglich an einer Stelle eine Rissbildung mit geringer Rissbreite auf, die jedoch nicht deckungsgleich mit jenem des Gussasphalts und der Beschichtung war. Die ermittelte informative Druckfestigkeit der Betonschichten erreicht eine statisch heranzuziehende Betonqualität von C12/15, die für Betonbauteile dieser Art unzureichend ist. Eine Bewehrung wurde nur vereinzelt an der untersten Stelle der Bohrkerne mit zu geringer Betondeckung festgestellt. Der Unterbeton wurde mit einem Abstand von ca.10mm zum aufgehenden Mauerwerk verlegt.

Bohrkernentnahme, um den vorhandenen Fußbodenaufbau zu verifizieren.Bohrkernentnahme, um den vorhandenen Fußbodenaufbau zu verifizieren.


BohrkernBohrkern

Schadensursache
Aufgrund fehlender Unterlagen seitens des Planers konnte zu Beginn die Art der Beschichtung nicht abschließend bewertet werden. Nach längerer Recherche stellte sich jedoch heraus, dass es sich um eine Epoxyharzbeschichtung handelt. Diese Art von Beschichtung ist ein sogenanntes starres System.

Die unterschiedlichen physikalisch mechanischen Stoffeigenschaften zwischen dem Gussasphalt und der verlegten Epoxy­harzbeschichtung, die hier im Verbund augenscheinlich wirksam wurden, sind überwiegend dafür verantwortlich, dass es zu dieser Rissbildung gekommen ist. Die in diesem Bereich stattfindenden mechanischen und statischen Belastungen förderten naturgemäß das Ausmaß der Rissbildung.

Bei der starren Bodenbeschichtung und dem elastischen Gussasphalt liegen grundsätzlich zwei nicht kompatible Systeme vor. Der Gussasphalt weicht aufgrund seiner viskoseelastischen Eigenschaften den stattfindenden Spannungen durch eine bleibende Verformung aus. Die Beschichtung hingegen steht aufgrund dieser Verformungen unter Spannung und will ihre ursprüngliche Form wieder einnehmen. Auch bei kurz stattfindenden Lasteinwirkungen (zum Beispiel durch rollende Lasten) können in diesem Zustand Risse und Ablösungen in größerer Dimension entstehen. Einen Beitrag zu diesen Spannungen leistet auch der fehlende Randabstand von Gussasphalt und Beschichtung.

Trotz der unzureichenden Druckfestigkeit des Unterbetons, hat dieser zum vorgefundenen Schadensfall mit großer Wahrscheinlichkeit keine oder nur geringe Auswirkung. Man muss abschließend erwähnen, dass diese Art von Schaden bekannt ist und entsprechende Literatur darüber vorliegt.

Fazit
Die bestehende Fußbodenkonstruktion wurde durch eine aufgebrachte Beschichtung aus ihrem technischen Gleichgewicht gebracht. Dieses Beispiel zeigt, dass jede bestehende Bodenkonstruktion zwingend zu untersuchen ist, bevor Änderungen an ihr vorgenommen werden.

Diese Vorgangsweise hätte in diesem Fall ein nun aufzustellendes Sanierungsbudget erspart, das aufgrund abzubauender Maschinen und Produktionsstillstands mit Sicherheit im 6-stelligen Bereich liegt.

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